In unserer Zeit haben Massenveranstaltungen eine immense Bedeutung gewonnen und nehmen immer größere Ausmaße an: Konzerte, Volksfeste, Sportwettkämpfe werden in der Masse erlebt und übernehmen inzwischen immer mehr die Funktion der Identitätsstiftung, die früher Familie, Berufsstand oder nationale Zugehörigkeit erfüllt haben. Begriffe wie „event“, „Fankultur“ oder „public viewing“ sind deshalb überhaupt erst in den letzten Jahren in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch aufgenommen worden.
Nicht nur in diesem Zusammenhang treffen Christian Freys Fotografien voll ins Schwarze. Freys besondere Leistung besteht darin, Bilder zu schaffen, die trotz der mit Fußball-Großereignissen einhergehenden medialen Überwältigung so noch nicht zu sehen waren. Es gelingt ihm, das Komische und das Skurrile von Fußballkultur ins Bild zu rücken, ohne ihre existenzielle Bedeutung anzuzweifeln.
Freys Bilder angespannter, aufgeregter, verzweifelter, erleichterter, gebrochener, erschöpfter, euphorischer, fassungsloser Fußballfans zeichnen sich nicht nur durch einen genauen Blick für das Besondere einer Situation aus, sondern vor allem durch ihre emotionale Unmittelbarkeit. Zwar ist die ‚Masse’ in diesen Bildern allgegenwärtig, jedoch wird die Aufmerksamkeit immer wieder auf den einzelnen Mensch gelenkt – und das unabhängig von seiner Nationalität oder der Fußballmanschaft, für die er mitfiebert. Der Betrachter hat somit das große Vergnügen, selbst zum unparteiischen Zuschauer zu werden.
Dr. Barbara J. Scheuermann
Freie Kuratorin und Autorin, Berlin